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Spektroskopie ersetzt teilweise invasive Methoden

Alternativen für die Untersuchung von Gewebe und Blut
Spektroskopie ersetzt teilweise invasive Methoden

Produkte für die nicht-invasive Blut- und Gewebeuntersuchung sind nicht neu, allerdings beschränken sie sich auf gezielte Anwendungen – entsprechend der unterschiedlichen Aufgaben in der Medizin.

„Blutuntersuchung ohne Nadelstich“ titelte Spiegel online im November, als die Wuppertaler MBR Optical Systems GmbH & Co. KG auf der Medica ihr Diagnosegerät Haemospect vorstellte. Den vollständigen Ersatz intravenöser Methoden bedeutet dies allerdings keinesfalls. „Ein Mediziner wird auf die invasive Methode nicht verzichten können“, stellt Dr. Holger Jungmann klar, Gesellschafter der MBR. „Mit unserem Gerät lässt sich zur Zeit nur der Hämoglobingehalt bestimmen, der innerhalb weniger Sekunden absolut in g/dl angegeben wird, in seiner sauerstoffbeladenen und CO2-beladenen Form.“

Dazu nutzt das Gerät die Reflektionsspektroskopie: Über einen aus Quarzglas bestehenden Lichtleiter wird weißes Halogenlicht zu einem Sensor auf der Haut des Patienten geleitet. Das Licht dringt etwa 0,5 bis 0,9 mm in die Haut ein und wird dort entweder reflektiert, absorbiert oder gestreut. Oxygeniertes und desoxygeniertes Hämoglobin besitzen unterschiedliche Absorptionsspektren und lassen sich damit unterscheiden. Der Sensor nimmt das reflektierte Licht wieder auf und zerlegt es mittels eines Spektrometers in seine spektralen Anteile. Das Spektrum liegt bei 350 bis 1020 nm. Das Gerät kalkuliert anschließend in zwei Schritten die Konzentration des Hämoglobins. „Hämoglobin ist unterschiedlich verteilt im Gewebe. Wir bestimmen diese Verteilung und kommen so zu Absolutwerten“, sagt Dr. Jungmann.
Speziell für das Monitoring von Frühgeborenen kommen bislang vor allem zwei andere nichtinvasive Verfahren zum Einsatz: Die transkutane pO2-Messung zur Bestimmung des Sauerstoff-Partialdrucks führt teilweise zu einer Erhitzung der Messstelle auf 44 °C. Dies kann bei den Säuglingen zu Hautverbrennungen führen. Und mit der Pulsoxymetrie, die mit Lumineszenz-Dioden arbeitet, lässt sich nur die arterielle Sauerstoffsättigung des Bluts bestimmen.
Daneben gibt es die Nahinfrarotspektroskopie zur Messung der Gewebe-Sauerstoffsättigung und der relativen Hämoglobinmenge im Messvolumen. Durch die große Separation der Beleuchtungs- und Detektionseinheiten wird eine Messtiefe von 1 bis 2 cm erreicht. Dies bietet die Möglichkeit, nicht nur Haut zu messen. Es wird auch das darunter liegende Gewebe zur Diagnose zugänglich: Muskulatur, Knochen oder Gehirn. Der Laser-Doppler erfasst die relativen Veränderungen des Blutflusses im Zeitlauf. Damit können Aussagen zum Blutfluss im Gewebe getroffen werden, nicht aber zum Sauerstoffverbrauch und damit zur Gewebevitalität.
Bereits in den 80er Jahren gab es mit dem Erlanger-Mikrolichtleiter-Photometer, kurz Empho, erste Ansätze zur Bestimmung der mikrovaskulären Sauerstoffsättigung. Das Gerät war am Institut für Physiologie und Kardiologie der Uni Erlangen-Nürnberg entwickelt worden. Ende der 90er Jahre wurde die Produktion jedoch eingestellt, „weil es extrem schwierig war, die Technologie so weit zu bringen, dass Ärzte sie im klinischen Alltag einsetzen können – und zwar zuverlässig und möglichst fehlerfrei“, erklärt Thomas Derfuß, der damals an der Weiterentwicklung der Sensoren und Algorithmen arbeitete und heute die Lea Medizintechnik GmbH, Gießen, leitet. Das Unternehmen hat die Empho-Technik der Breitbandspektroskopie weiterentwickelt und um die Blutflussmessung ergänzt. Es vertreibt seit 2002 zertifizierte Geräte für die nichtinvasive Bestimmung der Gewebevitalität. Im Vergleich zum Empho hat Lea die Geräte deutlich verkleinert. Zudem konnte man mit dem Empho nur einkanalig die Messung der Gewebe-Sauerstoffsättigung durchführen. Heute sei die simultane Messung der Gewebe-Sauerstoffsättigung und des mikrozirkulären Blutflusses von bis zu vier Kanälen gleichzeitig möglich.
„Die Messung der Gewebe-Sauerstoffsättigung reicht in den seltensten Fällen aus“, erklärt Derfuß. „Für die Beurteilung, ob eine Wunde spontan heilt, muss die lokale Ausschöpfung des transportierten Sauerstoffs betrachtet werden. Bei einer spontan heilenden Wunde liegt die Gewebe-Sauerstoffsättigung typischerweise zwischen 70 und 80 Prozent. Und gleichzeitig muss der Blutfluss größer 100 AU sein.“
So hat Lea spezielle Untersuchungsprotokolle für diabetische Füße entwickelt, mit denen sich der Wundheilungsprozess überwachen lässt. „Dabei messen unsere Geräte immer die lokalen Gewebeparameter“, betont Derfuß. „Die Werte lassen keinesfalls auf den Gesamtzustand des Patienten schließen, da unsere lokal abgeleiteten Größen lokalen Regelmechanismen unterworfen sind.“
Sabine Koll Journalistin in Böblingen

Ihr Stichwort
• Blutuntersuchung
• Mikrozirkulation
• Hämoglobingehalt • Reflektionsspektroskopie • Empho
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